Leistungsvoraussetzung für die Übernahme der Kosten eines stationären Krankenhausaufenthaltes durch die private Krankenversicherung ist in der Regel die medizinische Notwendigkeit. Diese wird vom Versicherer oft mit dem Hinweis versagt, dass die Möglichkeiten einer ambulanten Behandlung nicht ausgeschöpft seien. Hierbei stellt sich die Frage, welche ambulanten Behandlungen (auch in zeitlicher Hinsicht) ein Versicherungsnehmer auf sich nehmen muss, bevor eine medizinische Notwendigkeit für die stationäre Aufnahme begründet ist.
In einem aktuellen Fall unserer Kanzlei hat das Landgericht Kempten (AZ 32 O 1771/21 Ver – Urteil ist rechtskräftig) folgende Rechtssätze in der Urteilsbegründung festgehalten und dem Versicherungsnehmer damit die medizinische Notwendigkeit für seinen Krankenhausaufenthalt bestätigt:
“ Zur Bestimmung des Versicherungsfalls ist allein ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab richtungsweisend. Dies bedeutet, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers und auch nicht alleine auf die des behandelnden Arztes ankommen kann. Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein„. Hierbei bezog sich das Landgericht Kempten auf die Rechtsprechung des BGH, Beschluss vom 17.12.2014-IV ZR 399/13.
Das Landgericht Kempten hat bestätigt, dass es aus vertragsrechtlicher Sicht grundsätzlich keinen Vorrang ambulant vor stationär gibt. Ein solcher Vorrang kann sich lediglich aus dem Gesichtspunkt der medizinischen Vertretbarkeit ergeben.
Grundsätzlich ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine stationäre Behandlung dann nicht gefordert, wenn durch eine ambulante Therapie in gleicher Weise geheilt oder gelindert werden kann. Wenn jedoch die stationäre Behandlung im Zeitpunkt ihrer Vornahme geeigneter erscheint als eine ambulante Behandlung, gilt diese als medizinisch notwendig. Wichtig: Kostengesichtspunkte spielen bei der Beurteilung keine Rolle!
Keinesfalls darf der Versicherungsnehmer von seiner PKV – wie in vorliegendem Fall – auf ambulante Therapiemöglichkeiten verwiesen werden, welche mit erheblich mehr Nebenwirkungen als bei einer stationären Behandlung verbunden sind. Die ambulanten Therapiemöglichkeiten wurden vom Gericht in vorliegendem Fall gerade aufgrund der erheblichen Nebenwirkungen für weniger geeignet gehalten als die stationären Behandlungsmöglichkeiten, sodass letztere als medizinisch notwendig bestätigt wurden. Die private Krankenversicherung musste insofern sowohl die Kosten des stationären Aufenthaltes als auch die dort durchgeführten Behandlungen übernehmen.
Als Spezialistin im Team „Meine Anwälte München“ für Versicherungsrecht berate ich Sie gerne, damit Ihre Rechte gewährt bzw. fristgerecht und umfassend durchgesetzt werden.